Bildungspolitik,  Community allgemein

Das letzte Jahr brachte viel Veränderung – aber hat sich im Bereich Bildungssystem etwas verbessert?

Tunnelblick

Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich ich mich in einem Artikel mit dem Zusammenhang zwischen der demografischen Situation und (nötigen) Reformen unseres Bildungssystems beschäftigt, den ich nachfolgend nochmal hier »nach oben« hole.

Warum? Es hat sich, zumindest formal, einiges getan in diesem Jahr. Es gab »Bildungsgipfel«,  Bildungsstreiks, Bildungsreförmchen und eine neue Regierung. Die Altersgrenze im Bafög soll nun von 30 auf 35 geändert werden (enorm, oder??) und statt weiteren Bevölkerungsgruppen ein Studium zu ermöglichen, indem Studiengebühren gestrichen werden und  Bafög nicht als Kredit vergeben wird –  und vor allem auch in einer Höhe, die ein Studium ermöglicht, ohne nebenher zu arbeiten (oder treffender vielleicht: ohne neben der Arbeit zu studieren) wird es nun ein nationales Stipendiensystem geben, das diejenigen, welche die Barriere bereits erfolgreich überwunden haben (bzw. für die es eben nie eine Barriere war) mit weiteren 300 Euro monatlich unterstützt.

Ich bitte Euch, den nachfolgenden Artikel vor dem Hintergrund dieser Aspekte nochmal zu lesen. Ob die Änderungen von Verstehen und Reformwillen zeugen – oder gar vom Gegenteil – diese Schlussfolgerung überlasse ich Euch …

Der Artikel vom August 2009:

Ich bin gestern auf zwei interessante Projekte im Internet gestoßen, die sich beide mit der demografischen Situation in Deutschland befassen. Einmal ein Projekt der Bertelsmann Stiftung und – im Zusammenhang damit – ein Projekt und eine Studie der Bundesregierung.

Was mir bei der Thematik immer wieder auffällt ist:

1. Es wird richtig erkannt, dass wir mit Geburtenrückgang zu „kämpfen“ haben und die Gesellschaft altert.

2. Es wird festgestellt, dass in Deutschland die Arbeitsbedingungen und die Möglichkeiten, die Eltern für Kinderbetreuung geboten werden, zu schwierig und unattraktiv sind, um die Situation zu ändern.

4. Es wird von den wenigsten noch bestritten, dass unser Schulsystem hochselektiv ist, wir von echter Bildungs-Chancengleichheit weit entfernt sind und ein beängstigend hoher Anteil an Kindern und Jugendlichen (von den wenigen die wir noch haben…) ohne qualifizierten Abschluß und somit ohne Chance auf ein erfülltes Erwerbsleben dasteht oder dastehen wird.

3. Es wird von Politik und Wirtschaft geklagt, dass wir zuwenig qualifizierte und hochqualifizierte Arbeitskräfte haben.

ABER: Ich habe den Eindruck, dass diese Punkte irgendwie immer als voneinander unabhängig betrachtet werden und man für jedes Problemfeld separate Lösungen sucht, die aber nicht anschlagen (können), wenn nicht die anderen Punkte auch berücksichtigt werden.

Und ein ganz wesentlicher Aspekt wird meines Erachtens nach immer komplett außen vor gelassen:

  • Selbst wenn sich heute alle gebärfähigen Frauen entscheiden würden, wieder drei Kinder zu bekommen und
  • selbst wenn für diese Frauen alle Möglichkeiten, dennoch erwerbstätig sein zu dürfen und zu können gegeben wären
  • und für die Kinder dann ein besseres Schulsystem und gerechtere Chancen da wären,

hätten wir doch immer noch folgende Probleme:

  • Jetzt fehlen qualifizierte Arbeitskräfte
  • Jetzt gibt es viele Erwerbstätige oder Suchende in der Altersgruppe 30-50, die mit ihrem derzeitigen (Aus-)Bildungsstand hochgefährdet sind in die Erwerbslosigkeit abzurutschen oder bereits drin sind – ohne Perspektive wieder rauszukommen
  • Jetzt gibt es eine enorme Anzahl an Menschen, die resigniert haben und somit zu den „bildungsfernen“ Milieus werden, in denen jetzt Kinder aufwachsen die ebenfalls resignieren und nicht mehr an Chancen durch Bildung glauben.

Deshalb müßte doch das Pferd anders herum aufgezäumt werden.

Natürlich brauchen wir für Kinder ein besseres und gerechteres Bildungssystem. Und natürlich brauchen wir eine Gesellschaft und eine Definition von Arbeit, die es wieder attraktiv macht, Kindern zu haben. Und zwar nicht, um selbst versorgt zu sein – sondern weil man wieder daran glauben kann, dass diese Kinder eine glückliche und erfüllte Zukunft haben können. Und das, ohne dabei als Frau die eigene Gegenwart und das eigene Weiterkommen abschreiben zu müssen.

Dazu muss aber jetzt etwas geändert – da wo es jetzt brennt und da wo jetzt Potential liegt.


Und das ist genau die oben erwähnte Gruppe der 30-50 Jährigen mit prekärem (Aus-) Bildungsstand. Diese Menschen müssen motiviert werden, nicht zu resignieren sondern aktiv an ihrer Zukunft und an der ihrer Kinder etwas zu ändern. Indem sie Schulabschlüsse nachholen, Studiengänge abschließen, lernen wieder zu lernen und neue Perspektiven und Ziele bekommen.

Und ja, natürlich lohnen sich diese Investitionen noch!!! Denn erstens haben wir ja festgestellt, dass wir dringend hochqualifizierte Menschen brauchen – und in diesen Tätigkeiten arbeitet man doch auch motiviert und gerne und wird in den seltensten Fällen mit 60 oder 65 beschließen, nun nur noch den Garten zu bestellen und „einen auf Rentner zu machen“. Jemand der mit 50 sogar 55 sein Studium beendet kann gut und gerne noch 10-20 Jahre lang motiviert und erfüllt und sinnvoll etwas leisten: Für sich und für die Gesellschaft.

Und man würde zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Kinder der so motivierten und geförderten Menschen würden doch ebenfalls wieder motiviert, zu lernen und in Bildung und Schule einen Sinn zu sehen. Sie würden angespornt, es sich leichter zu machen als ihre Eltern, sie hätten Vorbilder, mit denen sie gemeinsam lernen könnten, anstatt täglich Resignation und Sinnlosigkeit von Bemühungen erleben zu müssen.

Damit würden mit einem Schlag aus zwei Risikogruppen, die ständig Gefahr laufen in die Randständigkeit und ein neues Prekariat abzudriften zwei Gruppen mit enormen Potential an den jetzigen Mißständen etwas zu ändern und für künftige Generationen echte Chancen und Motivationen aufzubauen.

Hier könnte man jetzt und heute etwas ändern. Etwas das Wellen schlägt und enorme Auswirkungen haben kann.

  • Dazu ist eine neue Definition von Arbeit nötig.
  • Dazu muss Weiterbildung auf gesellschaftliche Akzeptanz stoßen.
  • Schulausbildung und Studium muss fauch für die Menschen über 30 so unterstützt werden, dass sie finanziell in der Lage sind, ihre Familie und ihr Leben oder Einschränkungen und Mangel führen zu können.

Ich bin überzeugt davon, dass sehr viele Menschen das Potential dazu haben, ihnen aber das Selbstbewußtsein, der Mut und oft schlichtweg die finanzielle Möglichkeit fehlt.

Hier sind gesellschaftliche und politische Projekte gefordert, die über den Tellerrand der konventionellen Projekte hinausschauen und Neues wagen.

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.